Entstanden ist ZiRA (Ziekenhuis Reference Architecture) aus der Erkenntnis, dass niederländische Krankenhäuser zwar mit ähnlichen Problemen befasst sind, es aber keinen Rahmen für eine Zusammenarbeit im Bereich der IT gab. So schlossen sich zehn IT-Spezialisten aus verschiedenen Krankenhäusern in den Niederlanden zusammen und haben auf Basis des Informationsbedarfs und von Best Practice Beispielen entwickelt. Es ist Teil der Ziekenhuis Community, in der Krankenhäuser ihr Wissen und ihre Erfahrungen in Bezug auf die Informationsbereitstellung teilen. Die Architektur bietet auch eine digitale Plattform für den Austausch von Wissen, Informationen und Best Practices. Darüber hinaus werden regelmäßig Arbeitstagungen mit und für Informationsarchitekten organisiert.
Handbuch mit praktischen Beispielen
Die Referenzarchitektur ist der Ersatz für das „Domain Reference Model for Hospitals“ (RDZ), das seit vielen Jahren für die Entwicklung verschiedener Anwendungen in niederländischen Krankenhäusern verwendet wurde. In einem eigenen Praxishandbuch werden nun allgemeine Grundsätze erläutert und praktisch umgesetzte Beispiele aufzeigt. Dort wird ausgeführt, dass hier ein Referenzrahmen geboten wird und bei der Entwicklung der Organisation und der Informationsbereitstellung in Krankenhäusern geholfen wird . Die Referenzarchitektur soll bei der täglichen Arbeit unterstützen, erhebt aber nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und absolute Richtigkeit. Die Initiatoren laden alle Interessierten ein, die Architektur zu ihrem Vorteil zu nutzen und an die eigenen Zwecke und Kontexte anzupassen. Das Praxishandbuch soll anhand konkreter Bespiele dazu anregen, sich der wachsenden Community anzuschließen und durch Modellierung die Arbeit erleichtern zu lassen.
Es wendet sich an eine große Gruppe von Beschäftigten in Krankenhäusern: Unternehmens- und Informationsarchitekten, Informationsmanager, Lösungsarchitekten, funktionale und technische Designer, funktionale Administratoren, Richtlinienbeauftragte, Berater und andere, die an Organisations- und Prozessänderungen beteiligt sind. An den Beispielen im Handbuch sieht man sehr gut, wie vielfältig die Einsatzmöglichkeiten der Referenzarchitektur sind und wie sie zum Nutzen der Krankenhäuser beitragen können.
Dazu Hans Bartmann, Geschäftsführer von SparxSystems Central Europe: „Gerade die aktuelle Corona Pandemie zeigt uns, wie wichtig ein modernes und krisensicheres Krankenhausmanagement ist. Wir gratulieren daher nictiz sehr herzlich zur Erstellung der Krankenhaus-Referenzarchitektur , die in den Niederlanden schon große Verbreitung gefunden hat. Gleichzeitig freut es uns natürlich, das die Architektur mit Hilfe von Enterprise Architect entwickelt wurde. Daraus wird deutlich, dass Modellierung auch im Gesundheitswesen Einzug gefunden hat und die für uns alle so wichtige Arbeit der dort tätigen Personen bestmöglich unterstützt.“
Karolinska Institut entwickelte ein Fähigkeitsmodell
Kurz nach Veröffentlichung des Referenzmodells interessierte sich das weltberühmte Karolinska-Institut in Schweden dafür. Man nutzte hier das Geschäftsfunktionsmodell, um daraus ein Fähigkeitsmodell abzuleiten. In diesem ist beschrieben, was der Landkreis Stockholm benötigt, um seinen Auftrag zur Unterstützung und Kontinuität der Gesundheitsversorgung in Zukunft zu erfüllen. Das Fähigkeitsmodell wurde bereits in konkreten Ausschreibungen genutzt. Die operationale Vision im Modell beschreibt, wozu eine Organisation gemäß dem „Health and Medical Services Act“ befähigt sein muss, um ihren Auftrag zu erfüllen. Am Karolinska Institut wird übrigens alljährlich auch über die Verleihung des Medizin-Nobelpreises entschieden.
Erasmus MC: Enterprise Architecture Repository
Wie in vielen Unternehmen werden auch in Krankenhäusern Modelle gerne für die Abbildung der bestehenden IT eingesetzt. So gewinnt man einen Überblick über Hard- und Software und ihre Abhängigkeiten untereinander, was bei der Ablöse veralteter Dinge ebenso hilft wie bei der Weiterentwicklung des Systems. Das Erasmus University Medical Center in Rotterdam gilt als eine der wichtigsten Universitätskliniken in Europa und hat die Architektur als Grundlage für das eigene Enterprise Architecture Repository (EAR) verwendet. Ein EAR eignet sich hervorragend dazu, um den oben angesprochenen IST- und den SOLL-Zustand der IT zu beschreiben. Unabhängig vom gewählten Architektur-Framework ist Enterprise Architect ein vollwertiges EAR, das alle Architekturinhalte speichern und verwalten kann. Im Erasmus MC fügte man die eigenen organisationsspezifischen Konzepte hinzu: Organisationen, Tochtergesellschaften, Themen, Säulen, Abteilungen, etc. Die Anwendungen wurden aus der CMDB (Configuration Management Database) gelesen und mit den Anwendungsfunktionen verknüpft. Außerdem wurden die eigenen Architekturprinzipien und die Rechenzentren, Server, Netzwerke und Knoten aus der Infrastrukturschicht hinzugefügt. Dieses EAR dient als Ausgangspunkt und Basis in verschiedenen Projekten und wird jeweils um projektabhängige Elemente und Sichten ergänzt.
In der Grafik ist dieser Prozess am Beispiel „Anamneseerhebung“ dargestellt. Erasmus MC nutzte also das Metamodell, die Struktur und die Konzepte als Grundlage für die Einrichtung des Repository, reicherte diese aber mit eigenen organisationsspezifischen Elementen an.
Für Pflege und Kapazitätsmanagement
Das Antoni van Leeuwenhoek (AVL) Krankenhaus in Amsterdam ist führend in der Krebsforschung und ‑behandlung. Es ist benannt nach dem gleichnamigen niederländischen Naturforscher (1632 – 1723) und bedeutendsten Mikroskopiker des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts, oft auch als „Vater der Bakteriologie“ bezeichnet. Mit Hilfe des Beratungsunternehmens Logiqol startete AVL 2017 das Programm “Integriertes Kapazitätsmanagement” zur Optimierung der Logistikprozesse im Gesundheitswesen und ist damit in der Lage, Durchlauf- und Zugriffszeiten besser zu managen. Mit ZiRA gelang es, die benötigten Steuerungsinformationen bereitzustellen. So wurde auf Basis des Prozessreferenzmodells der Ablauf für die größte Patientengruppe bis auf die Ebene der Arbeitsprozesse beschrieben. Dabei wurde festgestellt, dass das Modell gut verstanden wird und gleichzeitig als einheitliche Sprache für die anderen Tumorgruppen gut geeignet ist. Daher erstellte man ein gedrucktes Handbuch der Arbeitsprozesse, das allen am Prozess Beteiligten zur Verfügung steht. Mit Hilfe der Prozessbeschreibung wurden Zeitpunkte und Patientenflüsse identifiziert, anhand derer der Versorgungsprozess in fünf Phasen in einem Dashboard dargestellt wird. Damit erhält die Tumor-Arbeitsgruppe einen aktuellen Überblick über den Umfang der Aktivitäten in ihrem Patientenfluss in einer bestimmten Woche.
Gelre: Geschäftsinformationen und Risikomanagement
In den niederländischen Gelre Krankenhäusern wurde das Informationsmodell für die Entwicklung eines Business-Informationsmodells verwendet. Dafür wurde etwa die in ZiRA vorgeschlagene Unterscheidung zwischen Aktivitäts- und Ergebnis-Informationsobjekten als sehr nützlich befunden und übernommen. Das Geschäftsmodell soll einen Überblick geben, welche Geschäfts-Informationsobjekte im Primärversorgungsprozess existieren und in welchem Zusammenhang sie zu einander stehen. In einem funktionalen und technischen Design ist es nun einfach festzustellen, ob Informationsobjekte bereits vorhanden sind und wiederverwendet werden können oder ob ein neues Objekt erstellt werden muss. Ein Datenarchitekt kann auch leicht den Entwurf validieren und über Änderungen im Entwurf kommunizieren. In einem nächsten Schritt sollen die Informationsobjekte mit den Geschäftsaktivitäten verbunden werden, um so einen Einblick zu gewinnen, welche Informationen in welcher Geschäftsaktivität verwendet werden.