Innerhalb der Prozesssteuerung bieten neue Technologien Pharmaherstellern großes Potenzial bei der Intensivierung ihrer Verfahren. So können sie an einem zunehmend wettbewerbsintensiven globalen Markt bestehen. Eine besonders interessante und leistungsfähige Anwendung ist die Kombination von Fabrikautomatisierung und Robotik mit prozessanalytischen Technologien (PAT). Durch die Implementierung solcher Systeme werden Arzneimittelhersteller präziser und flexibler. Gleichzeitig können sie die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften gewährleisten sowie F&E- und Produktionsabläufe effizienter gestalten. Martin Gadsby, Director bei Optimal Industrial Technologies, erläutert, warum Robotik und PAT in der Produktion füreinander geschaffen sind.
Eine konstante Herausforderung für die Pharma- und Life-Science-Branche ist die Sicherstellung der Versorgung mit qualitativ hochwertigen, wirksamen Medikamenten. Diese müssen sowohl strengen regulatorischen Anforderungen als auch hohen Kundenerwartungen entsprechen. Abhilfe schaffen unter anderem zuverlässige und umfassende Strategien zur Qualitätssicherung und Prozesskontrolle. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist dabei die Digitalisierung und Automatisierung von Labors und Prozessen der Arzneimittelherstellung, insbesondere die Kombination von PAT und Robotik.
Damit wird eine Echtzeitverbindung zwischen Prozesslenkung und Prozessautomatisierung hergestellt, mit der sich Entscheidungen zur Qualitätssicherung und Fertigung umgehend umsetzen lassen. Technische Informationen von Sensoren und Analysegeräten werden an ein übergeordnetes System zur adaptiven Entscheidungsfindung weitergegeben. Im gegebenen Fall handelt es sich dabei um ein PAT-Wissensmanagementsystem. Dieses kommuniziert dann mit Industrierobotern oder kollaborativen Robotern, um auf Basis der getroffenen Entscheidung zeitnah zu handeln.
Durch Echtzeittests und dynamisch reagierende, robotergestützte Prozessautomatisierung (Robotic Process Automation, RPA) schaffen Arzneimittelentwickler und ‑hersteller die Rahmenbedingungen für kontinuierliche Verarbeitungsprozesse. Diese erfordern nur minimale Eingriffe und können Ausfallzeiten weitestgehend reduzieren. Höhere Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Reaktionsfähigkeit tragen zu einer besseren und schnelleren Produktentwicklung und ‑herstellung bei. Darüber hinaus ermöglichen sie ein effektiveres Risikomanagement und entsprechende Korrekturmaßnahmen zur Sicherstellung von Produktqualität und Compliance.
Die pharmazeutische Abfüllung und Vorbereitung von Kulturmedien für die Biowissenschaften werden zunehmend robotergestützt durchgeführt. Auf diese Weise werden Zykluszeiten verkürzt und die Einheitlichkeit verbessert. Durch PAT-Qualitätsüberwachung mittels Spektralanalyse wird dieses System noch schneller und reduziert gleichzeitig den Ausschuss.
Forschern in diesem Gebiet ist es gelungen, einen leistungsstarken, automatisierten Roboter-Workflow mit hohem Durchsatz für die Aufreinigung von monoklonalen Antikörpern (mAb) und Glykanen zu schaffen, der die Implementierung von PAT- und Quality-by-Design- (QbD-) Ansätzen ermöglicht. Roboter werden zum Entnehmen, Vorbereiten, Inkubieren und Testen von flüssigen Proben eingesetzt. Die Lösung reduzierte die Durchlaufzeiten von über 18 Stunden auf nur 51. Dieses innovative System bietet eine schnelle und effiziente Methode zur Herstellung von Biotherapeutika für die Behandlung von Krebs- und Autoimmunkrankheiten sowie zur Verhinderung der Abstoßung von Xenotransplantaten.
PAT und Roboterarme für anspruchsvolle Anwendungen
Darüber hinaus kann der Einsatz von integrierten PAT-RPA-Systemen in empfindlichen Anwendungen, beispielsweise in Reinraumumgebungen, äußerst nützlich sein. Hier ist die strenge Einhaltung aseptischer Bedingungen unabdingbar für die Herstellung regulatorisch konformer Sterilprodukte. Vollautomatische Herstellungs- und Qualitätssicherungswerkzeuge können das Kontaminationsrisiko sowie die Partikelbildung deutlich reduzieren. Das steigert wiederum die Arzneimittelqualität und reduziert die Produktion von Ausschuss und nicht konformem Material.
Vor allem die jüngsten Fortschritte in der Robotik haben es Knickarmrobotern ermöglicht, selbst die anspruchsvollsten Anforderungen der Reinraumnormen ISO 3 (max. 10 Partikel), 2 und 1 erfüllen. Zudem lassen sich diese Roboter leicht reinigen, sind wasserdicht und halten Sterilisationsverfahren wie beispielsweise der Desinfektion mit Wasserstoffperoxiddampf stand.
Durch den Einsatz von Robotern und PAT kann in gefährlichen Umgebungen außerdem vermieden werden, dass das Bedienpersonal mit bestimmten Substanzen und Inhaltsstoffen in Kontakt kommt. So können die Betriebssicherheit erhöht und Gesundheitsrisiken reduziert werden, indem Echtzeittests, Prozesslenkung und Prozessautomatisierung miteinander kombiniert werden. Konkret leiten PAT-Wissensmanagementplattformen Industrieroboter bei der Handhabung von Krankheitserregern sowie hochreaktiven, ätzenden und gefährlichen Substanzen an. Außerdem können sie die Durchführung chemischer Reaktionen in extrem kalten oder heißen Umgebungen automatisieren und sicherstellen, dass die Materialien korrekt verwendet und verarbeitet werden.
Betrachtet man die Innovationen im pharmazeutischen Bereich, so wird deutlich, dass integrierte PAT-RPA-Systeme ein Erfolgsfaktor für eine wirtschaftlichere Präzisionsmedizin sind. Hierbei bestimmt die Zusammensetzung des pharmazeutischen Produkts die erforderlichen Prozesse. Die Fabrikroboter und ‑maschinen führen dann die entsprechenden Abläufe aus.
Tatsächlich ist es für Hersteller nur mit PAT möglich, geringe Mengen personalisierter Medikamente und Behandlungen wirtschaftlich herzustellen. Diese können dabei auf verschiedenen, einzigartigen Rezepturen basieren und sind so an jeden individuellen Patienten angepasst. Außerdem bietet PAT die Möglichkeit, jedes Medikament einzeln und nicht in Chargen zu testen. RPA kann in diesem Kontext von einer PAT-Wissensmanagementplattform so gesteuert werden, dass sie einer konkreten Rezeptur folgt. Auf diese Weise werden die gebotene Präzision und Geschwindigkeit für die einzelnen Produktionsschritte eingehalten und gleichzeitig Kosten im Rahmen gehalten.
Vernetzte Pharma 4.0
Die Verbindung von PAT und RPA bildet auch den Ausgangspunkt für die Integration von Daten aus systemübergreifenden physischen, betrieblichen und robotergestützten Ressourcen. So lassen sich nicht nur die Fertigung und Qualitätssicherung steuern, sondern auch die Wartung, die Bestandsverfolgung und viele andere Variablen und Leistungskennzahlen der gesamten Anlage. Dies entspricht im Wesentlichen dem Grad der Vernetzung, den Industrie 4.0 und Smart Manufacturing anstreben.
Die Vernetzung von PAT und RPA dient jedoch nicht allein dem Aufbau von Pharma‑4.0‑Fabriken. Indem sie Abläufe rationalisiert, Produktionskosten und Zykluszeiten reduziert und zugleich Durchsatz und Leistung erhöht, verbessert sich auch der Alltagsbetrieb pharmazeutischer Produktionsanlagen. Es stellt sich daher kaum die Frage, „ob” diese Technologien großflächig eingeführt werden sollen, sondern „wann”.
Für eine erfolgreiche PAT-RPA-Implementierung ist es auf jeden Fall wichtig, mit qualifizierten und sachkundigen Spezialisten zusammenzuarbeiten, die über umfangreiche Erfahrungen in der Prozessautomatisierung, Robotik und PAT verfügen. Sie können maßgeschneiderte Lösungen entwerfen und umsetzen, die die speziellen Anforderungen der Anlage effizient erfüllen sowie den Prozess vor und nach der Installation reibungslos gestalten. Darüber hinaus gewährleisten sie, dass die automatisierte Produktionslinie auf optimalem Leistungsniveau läuft. So können Unternehmen des Pharma- und Life-Science-Bereichs sicher sein, dass sie genau die Lösung installieren, die für ihre konkrete Anwendung am besten geeignet ist.