„Wir hatten kürzlich den Fall eines Industrieunternehmens mit 5.000 Mitarbeitern: Bei einer 24-Stunden-Mischprobe aus einem Abwasserschacht auf dem Firmengelände haben wir SARS-CoV‑2 nachgewiesen. Die individuelle Testung ergab, dass dort ein Kollege infiziert war“, erklärt Jens Olk, Betriebsleiter beim Chemischen Untersuchungsamt Emden.
Seit Mitte 2021 verfügt sein Labor über die Analytik Jena-Geräteformation. Im geschilderten Fall habe sich der potenzielle Ausbruch bei seinem Kunden noch am selben Tag bannen lassen. „Damit“, so Olk weiter, „hat sich erwiesen: Mit der PCR im Abwasser können Firmen ihr Hygienekonzept untermauern, im Sinne eines Frühwarnsystems.“
„Es ist noch nicht lange her“, erinnert sich Dr. Christine Gräfe, Produktmanagerin bei Analytik Jena, „da war es undenkbar, schwierigen Proben aus dem Klärwerk genetische Informationen abzugewinnen. Aber die Life Sciences entwickeln sich rasant. Inzwischen sind Viruspartikel und andere Keime ab einer gewissen Konzentration in so schwierigen Proben, wie es Abwasser darstellt, nachweisbar.“
Vom 17. März 2021 datiert eine EU-Empfehlung, wonach die Mitgliedsländer Kläranlagen mit mehr als 150.000 Einleitern regelmäßig auf die Virenlast überwachen sollten, und Analytik Jena beteiligt sich gemeinsam mit der Mutterfirma Endress+Hauser an der Entwicklung entsprechender Standards. Beide wirkten mit der Emschergenossenschaft/Lippeverband im Ruhrgebiet, dem größten Wasserwirtschaftsverband Deutschlands, an einer gemeinsamen Methode zum Virusnachweis. Im Frühjahr 2021 stand ein funktionierender und getesteter Workflow zur Verfügung. Dr. Jens Schoth von EGLV resümiert: „Wir sind zuversichtlich, mit unserem Modellprojekt gemeinsam die Basis für ein abwasserbasiertes Monitoringsystem bilden zu können.“
Das Projekt CoMoTH zielt nun auf ein flächendeckendes Abwassermonitoring für Thüringen, mit den Verbundpartnern Bauhaus-Universität Weimar und Analytik Jena. Beprobt werden zunächst 15 bis 20 Kläranlagen mit dem Ziel, den Workflow voranzubringen, die Gesundheitsämter einzubinden und die Ergebnisse in geeigneter Weise darzustellen.
Als assoziierter Partner beteiligt sich der umweltanalytische Dienstleiter Eurofins Umwelt Ost: „Wir hoffen, gemeinsam mit Wissenschaftlern der Bauhaus-Universität Weimar und Analytik Jena zu einem vernünftigen Schema zu gelangen, um Frühwarnsysteme zu etablieren. Nicht nur im kommunalen Bereich, wo es auf den Gesetzgeber ankommen wird, die Träger zu verpflichten, sondern auch kleinteiliger, für Industriebetriebe oder sensible Einrichtungen. Damit ließen sich Gefahren für Leib und Leben abwenden und die Betriebssicherheit gewährleisten“, erklärt der Jenaer Eurofins-Geschäftsführer Dr. Benno Schneider.
Und das beschränkt sich nicht auf SARS-CoV 2: „Mit derselben Gerätekonstellation des Workflows kann man der Verbreitung anderer Pathogene in der Bevölkerung auf die Spur kommen“, erklärt Analytik Jena-Projektleiter Dr. Robert Möller. Waste Water Based Epidemiology, abwasserbasierte Epidemiologie, nennt man den Ansatz, dessen Potenzial erst in Ansätzen erkennbar ist. Frühwarn- und Monitoringsysteme seien beispielsweise für antibiotikaresistente Keime, Magen-Darm-Viren wie Noro oder Cholera, Grippeviren, Salmonella, Legionella, Clostridien, Hepatitis und Polio denkbar.
Jens Olk von der CUA Emden erkennt das Potenzial des Verfahrens beispielsweise für den Nachweis antibiotikaresistenter Keime, Grippeviren und Legionellen: „Nehmen wir die Legionellen: Hier ist derzeit allein die Mikrobiologie behördlich akzeptiert, die mehrere Tage beansprucht, um den Erreger zu kultivieren und nachzuweisen. In dieser Zeit dürfte in der betroffenen Einrichtung niemand einen Wasserhahn aufdrehen. Mit der PCR wüsste man binnen Stunden, ob man ein Problem hat oder nicht. Im Sinne eines pragmatischen Vortests könnte man im positiven Fall das Wasserzapfen stoppen und die Leitungen spülen, bis das amtliche Ergebnis vorliegt. Daran – aber auch an der Durchsetzung der PCR als Standard – wollen wir gemeinsam mit Analytik Jena arbeiten.“
Generell gilt: Massentests im Klärwerk sind nicht auf Freiwilligkeit angewiesen, individuelle Persönlichkeitsrechte bleiben aber dennoch gewahrt. Geringe Kosten stehen einem hohen Nutzen gegenüber, um das jeweilige Infektionsgeschehen frühzeitig zu überblicken. Robert Möller: „Damit ließe sich die kritische Infrastruktur ergänzen, gerade mit Blick auf die Wasserwiederverwertung, um die Bevölkerung zu schützen und Gefahren für die natürliche Umwelt abzuwenden.“
Ulrich Krauss, CEO von Analytik Jena, erinnert daran, dass Wasser unser Lebenselixier ist: „Es ist eine endliche Ressource, zu deren Schutz wir mit unserer Lösung aktiv beitragen.“ Prof. Silvio Beier, der an der Bauhaus-Universität Weimar die Professur für Technologien urbaner Stoffstromnutzungen innehat und das CoMoTH-Projekt leitet, ergänzt: „Wasser und Gesundheit sind zentral für die Lebensqualität. Entsprechend bedarf es innovativer Ansätze, für die wir jetzt die Standards etablieren.“
In vier Stunden mit bis zu 96 Proben, deren Volumen frei wählbar ist, schafft es der Workflow von der Probennahme bis zum fertigen PCR-Resultat. Automatisierte Schritte erleichtern die Bedienung. Dazu Jens Olk, CUA Emden: „Wir waren völlig unbedarft, was die PCR und die Probenvorbereitung angeht. Es ist in kürzester Zeit gelungen, uns das neue Verfahren zu erschließen und zu aussagekräftigen, belastbaren Ergebnissen zu gelangen.“
Im Klärwerk entnimmt der Probennehmer Liquistation CSF48 von Endress+Hauser vollautomatisiert die Probe; kanalaufwärts wird die mobile Variante CSP44 eingesetzt. Im Labor wird die Probe aufkonzentriert, um die Zielorganismen nachweisen zu können. Im Anschluss an die elektronegative Filtration werden die Virenfragmente und Partikel mit der SpeedMillPLUS aus der Filtermembran herausgelöst.
Für die Probenisolierung im Labor übernehmen Pipettierroboter von Analytik Jena – entweder der InnuPure C16touch, der bis zu 16 Proben verarbeitet, oder der CyBio FeliX für 96 Proben. Beide bieten einsatzbereite Protokolle, die – in Kombination mit entsprechenden Extraktionskits – DNA bzw. RNA automatisiert aus den Proben aufreinigen.
Und schließlich folgt die Detektion per Fluoreszenzmessung mit dem qTower. Im Prozess der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) wird der gesuchte kopierte Abschnitt der DNA beziehungsweise cDNA kopiert und fluoreszierend markiert. Je häufiger die fragliche Buchstabenfolge auftaucht, desto stärker das Signal im Real Time PCR-Prozess und desto eindeutiger lässt sich entziffern, wie hoch die Virenlast wirklich ist.