Impfstoffe dienen dem Schutz vor Infektionskrankheiten wie beispielsweise Poliomyelitis, Masern, Diphtherie und Tetanus. Seit bereits Säuglinge gegen diese Erreger oder die Toxine, die die bakteriellen Infektionskrankheiten hervorrufen, immunisiert werden, sind die globalen Infektionszahlen deutlich zurückgegangen. Das hat dazu geführt, weltweit die Sterblichkeit von Neugeborenen und Kindern zu senken.
Derzeit basieren Chargenprüfungen von Tetanustoxoid-Impfstoffen auf In-vivo-Modellen, also Tierversuchen. Hier besteht im Sinne des Tierschutzes Bedarf, den etablierten Prozess durch eine innovative In-vitro-Methode zu ersetzen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) ist es nun gelungen, einen zellbasierten In-vitro-Test zur experimentellen Prüfung von Tetanustoxoid-Impfstoffen zu etablieren.
Unerlässlich bleibt aber die Prüfung jeder Impfstoffcharge auf Qualität und auf mit der Wirksamkeit korrelierende Eigenschaften im Potency-Test. Noch schreibt das Europäische Arzneibuch für viele der erforderlichen Untersuchungen Tierversuche (In-vivo-Assays) vor. Schon lange engagiert sich das Paul-Ehrlich-Institut dafür, den Einsatz von Tieren bei der experimentellen Arzneimittelprüfung – ohne Einbußen bei Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit – so gering wie möglich zu halten, und entwickelt seit vielen Jahren Alternativmethoden.
Tetanus ist eine schwere Erkrankung, die durch über eine Wunde erfolgende Infektion mit dem Bakterium Clostridium tetani hervorgerufen wird. Die bakteriellen Giftstoffe (Toxine) greifen das Nervensystem an. Eine Infektion führt zu schmerzhaften Muskelkrämpfen und schließlich zum Tod. Bei der Herstellung der zugelassenen Impfstoffe gegen Tetanus wird das Toxin mithilfe von Formaldehyd inaktiviert. Das so entstandene Tetanustoxoid ist das schützende Antigen in den Tetanustoxoid-Impfstoffen und für den Menschen unschädlich. Um die Wirksamkeit der Impfstoffe durch einen Potency-Test sicherzustellen, sind seit Jahrzehnten noch immer auf Tierversuchen basierende Testungen, die sogenannten In-vivo-Potency-Assays, im Arzneibuch vorgeschrieben.
Das Ziel der von Forschenden des Paul-Ehrlich-Instituts durchgeführten Experimente ist die Entwicklung eines zuverlässigen In-vitro-Potency-Assays für Tetanustoxoid-Impfstoffe, um so zukünftig Tierversuche zu ersetzen. Das Team um Professor Dr. Isabelle Bekeredjian-Ding, Leiterin der Abteilung Mikrobiologie des Paul-Ehrlich-Instituts, und Dr. Olga Tichá, die Erstautorin, nutzte die Kenntnis des Mechanismus, mit dem das Immunsystem eine Immunantwort gegen Tetanustoxoid hervorruft.
Dazu wurden menschliche periphere Blutleukozyten mit Tetanustoxoid-Antigenen und niedrigen Konzentrationen eines Toll-Like-Rezeptorliganden stimuliert. Nach fünf Tagen wurde die Immunantwort anhand der Produktion des von den Leukozyten sezernierten Tetanustoxoid-spezifischen Immunglobulins G (IgG) quantifiziert. Der Machbarkeitsnachweis wurde mit gepaarten Proben von Spendenden vor und nach der Impfung erbracht. Bei der Verwendung von peripheren Blutleukozyten aus Buffy Coats, die bei der Herstellung von Blutprodukten als Beiprodukt entstehen, war die spezifische Reaktion auf Tetanustoxoid bei 30 Prozent der gespendeten Zellpräparationen reproduzierbar. Die Höhe der Tetanustoxoid-induzierten IgG-Produktion korrelierte mit einer höheren Anzahl von Gedächtnis-B-Zellen in den Leukozyten-Spenden, deren Anteil zukünftig für die Auswahl von für den In-vitro-Potency-Assay geeigneten Buffy Coats genutzt wird. Auch zeigte sich, dass Tetanustoxoid-spezifisches Immunglobulin G auch nachweisbar war, wenn die Blutleukozyten mit den Wirkstoffen eines DTaP-Kombinationsimpfstoffs (Diphterie-Tetanus-azelluläre Pertussis) stimuliert wurden.
“Dieser Test stellt eine praktikable Möglichkeit dar, die spezifische Immunantwort sowohl durch Nachweis der B‑Zell-Differenzierung als auch der Sekretion von Tetanustoxin-spezifischem Immunglobulin G durch Impfantigen und vollständigem Impfstoff zu überprüfen”, so das Studienfazit von Bekeredjian-Ding.
In Zukunft könnte der funktionelle Assay zusammen mit physikochemischen und immunchemischen Methoden die derzeit noch vorgeschriebenen Tierversuche bei der Chargenprüfung von Tetanustoxoid-haltigen Impfstoffen ersetzen. Dies wäre ein weiterer wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur tierversuchsfreien Arzneimitteltestung.