Es ist eine nicht ganz unübliche Erfahrung: Der Architekt hat das Gebäude mit digitaler Unterstützung designt und druckt nun den CAD-Plan aus. Auf seiner Basis entwirft der Tragwerksplaner sein ganz eigenes Modell. Der Ingenieur für die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) tut es ihm nach, und dann kommt speziell für den Reinraum ein weiterer Experte hinzu – kurz: Schon in der Planungsphase finden sich reichlich Gelegenheiten für unnötige Doppelarbeit. Schlimmstenfalls kollidiert zu guter Letzt die zentrale Reinstwasserzufuhr mit einer Löschwasserleitung.
Digitale Technologien machen Planung im Team attraktiver
Das Konzept von BIM (Building Information Modeling) besteht in einer Zusammenarbeit aller an Planung, Bau und Betrieb eines Bauwerks Beteiligten an einem digitalen Model. „Doppelarbeit und Kollisionen sollten sich auf diese Weise deutlich reduzieren lassen“, schätzt Frank Jansen, Technisch-Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik beim VDI (Verein Deutscher Ingenieure) in Düsseldorf. „Dabei stellt sich der ökonomische Vorteil allerdings erst später ein. Zunächst ist mehr Zeit in die Planung und die Kommunikation zwischen den Beteiligten zu investieren. Nachher zahlt sich das in einer reibungsloseren Fertigstellung aus. Monetäre Einspareffekte ergeben sich im Facility Management über die gesamte Dauer der Bewirtschaftung, zum Beispiel durch die Möglichkeit, Leistungsdaten zu kontrollieren und zu steuern oder Umbauten und Komponentenaustausch zu dokumentieren. Vor allem aber steigt die Qualität der Bauwerke.“
Fortschritte im Bereich der digitalen Technologien beflügeln eine Planung mit BIM. Zwar konnten die Vertreter unterschiedlicher Gewerke grundsätzlich schon immer auch mit Bleistift und Papier gemeinsam planen. Doch in der Praxis erweist es sich als vorteilhaft, sich auch bei räumlich großer Entfernung schnell einmal an einem virtuellen runden Tisch einzufinden, zum Beispiel in einer Cloud. Auch lassen sich im BIM-Modell, neben geometrischen Daten, beliebig viele weitere Attribute hinzufügen. Diese können zum Beispiel Zeitvorstellungen oder Kostenangaben betreffen und bis zu speziellen Details reichen (z.B. Auslegung eines Schleusensystems, Leistungsdaten von Lüftungen im Reinraum, verbaute Materialien, selbst Wartungs- oder Hygienepläne).
All diese Daten helfen nicht nur beim Bau, sondern auch bei späteren Änderungen. Man denke zum Beispiel an die häufigen Umnutzungen im Krankenhausbereich, inklusive der dortigen Operationssäle, oder an Upgrades von Reinräumen im Gefolge von gesetzgeberischen Maßnahmen, von neuen VDI-Richtlinien oder von schärferen Kundenanforderungen! Erleichterung schafft in jedem dieser Fälle ein „digitaler Zwilling“ des betreffenden Gebäudes mit speziellen Angaben zum Labor- und Reinraumbereich.
Praxisbeispiel Strömungstechnik
Für die Praxis stellt die Ausgestaltung von BIM als offener Standard einen wichtigen Pluspunkt dar. Denn wenn Architekt und Strömungstechniker mit unterschiedlichen Programmen arbeiten, muss das Puzzle ja noch zusammengefügt werden.
„Gemäß der BIM-Systematik programmiere ich mir dafür einfach eine Schnittstelle“, erläutert Benjamin Zielke, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Hermann-Rietschel-Institut der TU Berlin. „Ziel des Ganzen ist es unter anderem, bei Umbauten und Änderungen Simulationen auf Knopfdruck durchspielen zu können. Vieles, was heute auf langjähriger Erfahrung beruht, ließe sich dann effektiver planen – und auch wirklich punktgenau. Eine zu große Auslegung von Lüftungsanlagen und die damit in Bau und Betrieb verbundenen unnötigen Zusatzkosten ließen sich zum Beispiel von vorneherein vermeiden.“
„Sie kommt heute vornehmlich dann zum Zuge, wenn es konkrete Schwierigkeiten zu beheben gilt“, weiß Heimo Müller, Carinthian Tech Research, St. Magdalen (Österreich), aus Erfahrung. „Ein Beispiel besteht im Auftreten von Kontaminationen oder von zu hohen Partikelkonzentrationen. Mit Strömungssimulationen können wir Probleme in Abzügen, in Glove-Boxen und generell im Reinraum besser verstehen und schneller Lösungen finden. Allerdings würde die Kalkulation eines ganzen Reinraums auf Basis physikalischer Modelle und numerischer Verfahren sehr lange dauern. Darum tasten wir uns stets Schritt für Schritt an die eigentliche Fragestellung heran: Simulation der Ist-Situation, Messungen und Abgleich des Modells, dann Simulation verschiedener Geometrien zur Problemlösung. Einen ganzen Reinraum auf der Grundlage von reinen Simulationen auszulegen, kann ich mir vorstellen, macht aber wenig Sinn.“