Mit dem Medizinforschungsgesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz hat die Bundesregierung zwar den Rahmen für Pharmaforschung an einigen Stellen verbessert, doch muss weiterhin nachgebessert werden, damit Deutschland in die Topriege der internationalen F&E‑Standorte aufschließen kann. Die ungenügende Translation, also Umsetzung von wertvollen Erkenntnissen aus der medizinischen Grundlagenforschung in die Arzneimittelentwicklung, ist eine der größten Schwächen der pharmazeutischen F&E in Deutschland. Deshalb hat der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) gemeinsam mit den Gesundheitsforschungs-Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung das Strategiepapier „Pharma F&E 2035 – Deutschlands Innovationsrahmen für die Zukunft“ erarbeitet, das Defizite benennt und priorisierte Handlungsempfehlungen formuliert. Es wird heute auf den „Future Medicine Innovation Days“ des Tagesspiegels in Berlin vorgestellt.
„Die Vitalisierung der Pharmaforschung in Deutschland kann nur gemeinsam gelingen“, betont vfa-Präsident Han Steutel. „Unternehmen, Forschungsinstitute und Politik müssen hier alle ihren Teil beitragen. Doch wenn sie gelingt, wird sich das auszahlen, da dann viele zusätzliche Investitionen für Forschung und Entwicklung nach Deutschland fließen werden.“
Doch erst einmal müssen eine Reihe von Hindernissen überwunden werden. „Die Instrumente, auf die das Medizinforschungsgesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz abzielen, greifen bisher kaum, da noch viele Hürden vorhanden sind“, so Prof. Dr. Dr. Gerd Geißlinger, Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP und Präsidiumsmitglied der Fraunhofer-Gesellschaft. „Deshalb ist Deutschland beispielsweise den USA, Spanien und vielen weiteren Ländern in der Rekrutierung von Teilnehmenden für klinische Arzneimittelstudien unterlegen. Die Gründung flächendeckender Studiennetzwerke würde zu einer Verbesserung der Rekrutierung von Patientinnen und Patienten führen.“
Als einen Grund für die eingangs genannte Translationsschwäche benennt das Strategiepapier, dass hierzulande zu selten Forschungsinstitute und Pharmaunternehmen zu Public-Private Partnerships zusammenfinden, in denen sie ihre komplementären Kompetenzen für eine zielgerichtete Medikamentenentwicklung nutzen. „Deshalb schlagen wir die Einrichtung einer Translationsallianz in Deutschland vor“, so Dr. Matthias Meergans, Geschäftsführer F&E des vfa. „Forschungsinstitute und Unternehmen sollen dort ihre jeweiligen Kompetenzen für die verschiedenen Etappen der Arzneimittelentwicklung einbringen. Die Allianz soll bei Translationsprojekten beraten und auf die Gründung von immer neuen Public-Private-Partnerships hinwirken. Idealerweise würden diese Partnerships dann zudem finanziell gefördert.“
Die insgesamt 17 Handlungsempfehlungen des Strategiepapiers verteilen sich auf die Felder „Forschungsinfrastruktur stärken“, „Translationslücke schließen und Partnerschaften ausbauen“, „Regulierung und Innovationszugang vereinfachen und beschleunigen“, „Digitalisierung vorantreiben“ und „Zusammenarbeit mit Patientinnen/Patienten ausbauen“.
Damit sich die weitere Entwicklung Deutschlands als Pharmaforschungsstandort über mehrere Jahre hinweg verfolgen lässt, hat die Beratungsagentur Vintura im Auftrag von vfa und Fraunhofer Gesundheit das Monitoring-Tool PROUD (Pharma FoRschung & Entwicklung ErfOlgsmessUng in Deutschland) entwickelt. PROUD ist eine Zusammenstellung von Indikatoren zur mittel- und längerfristigen Verlaufsmessung der Qualität und Leistungsfähigkeit des F&E‑Standorts Deutschland. Eine erste Erhebung des Status quo wurde damit im November 2024 durchgeführt. Geplant sind jährliche Wiederholungen, so dass sich Steigerungen, aber auch ausbleibende Verbesserungen am Standort Deutschland erkennen und Maßnahmen entsprechend nachjustieren lassen.