Das Biotech-Unternehmen Biomay entschied sich Trotz Abklingen der Pandemie in Österreich für die Errichtung einer neuen Anlage zur Herstellung von wichtigen protein- und DNA-basierten Inhaltsstoffen für die Medikamente von morgen. Nur 25 Monate nach der Entwicklung des ersten Konzepts konnte das Unternehmen seinen neuen, hochmodernen CDMO-Standort in der Nähe von Wien eröffnen. Dank seiner Entwicklungspartner und dem innovativen Konzept hinter dem Hightech-Standort betreibt Biomay heute eine flexible Produktionsplattform für vielfältige Produkte in beliebigen Chargengrößen.
„Jeden Tag, wenn ich dieses Gebäude betrete, bin ich stolz darauf, wie wir expandieren und so vielen Menschen helfen – wie wir neuartige und wirklich lebensrettende Medikamente für unsere Kunden entwickeln,“ freut sich Dr. Hans Huber, Chief Executive Officer von Biomay. „An unserem neuen Standort können wir das Produktionsvolumen massiv erhöhen und gleichzeitig sehr viel schneller auf die wechselnden Marktanforderungen reagieren – und so noch effizienter sein.“ Der Ausdruck „lebensrettende Medikamente“ ist absolut keine Übertreibung. 2021 konnte das Unternehmen zum Beispiel seine Partnerschaft mit BioNTech SE zur Unterstützung der Lieferkette für die Herstellung des COVID-19 mRNA-Impfstoffs von Pfizer-BioNTech bestätigen.
Überwindung früher Wachstumsschwierigkeiten
Auch wenn sich Hans Huber heute zuversichtlich zeigt, war das nicht immer so. Vor einigen Jahren begegnete das Unternehmen einigen Wachstumsschwierigkeiten: Einerseits wurden die angefragten Chargengrößen und ‑typen immer unterschiedlicher, einschließlich besonderer Anfragen nach kundenspezifischen Produkten. Andererseits brauchten auch einige Großkunden mehr Plasmid-DNA, das Ausgangsmaterial für mRNA, da die Produktion der COVID-Impfstoffe einfach zu dringend war. Als biopharmazeutische Contract Development and Manufacturing Organization (CDMO) arbeitet Biomay mit Kunden aus einem vielfältigen Mix internationaler Biotech-Unternehmen. Bei einem maximalen Bioreaktor-volumen von nur 40 Litern waren der Produktionskapazität der älteren Anlage jedoch Grenzen gesetzt.
„Das Anfragevolumen war einfach verrückt,“ erinnert sich Hans Huber. „Der Zeitpunkt war gekommen, an dem wir eine Entscheidung über die zukünftige Ausrichtung unseres Unternehmens treffen mussten. Es war klar, dass wir umdenken, uns neu erfinden und erneut investieren mussten, um das nächste Level als CDMO zu erreichen,“ so Hans Huber. „Unser Ziel ist es, Zulieferer von GMP-Leistungen zu sein, und damit die Bereitstellung von DNA-Plasmiden, Messenger-RNA und rekombinanten Proteinen zur Herstellung von wichtigen Medikamenten zu sichern.“
Zusammenarbeit mit VTU Engineering
2018 entschieden Hans Huber und sein Team, Biomay zu erweitern und einen größeren Standort zu bauen. Als Begleiter bei diesem Prozess wählten sie eine internationale Technologie Unternehmensgruppe mit breit gefächerter Erfahrung in der Ausführung umfangreicher CAPE-Projekte in den europäischen Life Sciences.
„Ich erinnere mich gut an unsere erste Besprechung,“ so Alexander Asbäck, Managing Director und Chief Operating Officer der VTU Group. „Wir trafen uns in einem Wiener Wohnviertel, wo die Techniker:innen in einem Labor zusammensaßen und tolle Dinge mit Molekülen anstellten. Es war absolut klar, dass sie wirklich einen neuen, hochmodernen Standort brauchten – und auch verdienten.“
„Wir haben uns für die VTU nicht nur wegen ihrer Erfahrung bei EPCMv-Projekten entschieden, sondern auch weil die Bereitschaft vorhanden war, an flexiblen Konzeptlösungen mit sehr knappem Budget zu arbeiten,“ erläutert Hans Huber. „Das Team der VTU hat zugehört, mit uns an Lösungen gearbeitet und war flexibel genug, unsere Bedürfnisse zu berücksichtigen und mit unserer Partnern zu kooperieren.“ In ihrer Rolle als EPCMv-Partner war die VTU verantwortlich für die Koordinierung des Projekts und die Bereitstellung der nötigen Expertise, die das Ausführungstempo erforderlich machte. Die nächste Frage war, wo, was und wie schnell errichtet werden sollte.
Gesamtheitlicher und nachhaltiger Ansatz
Biomay gelang es, einen Standort und eine Baugenehmigung im Nordosten von Wien zu erwerben. Aspern Seestadt ist eines der größten städtischen Entwicklungsprojekte Europas, das für sein umweltfreundliches „grünes“ Profil bekannt ist. Zusätzlich zu modernen Technologien ist ein nachhaltiges Konzept ein wichtiger Aspekt dieses Standorts, der über eine Grundwasser-Wärmepumpe zur Heizung und Klimatisierung des gesamten Gebäudes sowie Solarpanelen zur Erzeugung von Strom verfügt.
Bau eines zukunftssicheren CDMO-Standorts
„Eine der ersten technischen Herausforderungen war die Festlegung der Spezifikationen. Diese mussten eine für die Ausführung von vielschichtigen Prozessen nötige Flexibilität bieten, ein zukunftssicheres Konzept unterstützen und GMP-konform sein – und all das, ohne ein knapp berechnetes Budget zu sprengen,“ so Alexander Asbäck, „alles drehte sich um Flexibilität.“
Das vielseitige Gebäude ist täuschend einfach gehalten und bietet alles, was für einen Fertigungsstandort der nächsten Generation nötig ist. Die GMP-Fertigungskonfiguration folgt einem klassischen „Upstream-Downstream“-Ablauf, jedoch mit einem Unterschied: Hier gibt es auch einen speziellen Bereich für neuartige und individuelle (patient:innenspezifische) Chargen.
Im Upstream verzehnfachte Biomay seine Kapazitäten im Hinblick auf Chargengrößen und ‑volumen mit einem Edelstahl-Gärungsbehälter von 750 Litern. Das Unternehmen verfügt jetzt über Bioreaktoren mit einer Bruttokapazität von 5, 50, 150 und 750 Litern. Das Vorlauf-Lay- out ist in mehrere Reinraumbereiche unterteilt und umfasst eine zentrale Medienversorgung sowie Separierung, Zellspaltung durch Homogenisierung oder chemische Lyse und Sedimentation.
Die Reinigungsvorgänge im Downstream bestehen aus einer Chromatographie, auf die durch Panel und mobile Behälter flexibel konfigurierbare Ultrafiltrationsgestelle folgen. Der Bereich für die sterile Abfüllung ist in einem eigenen Reinraum untergebracht. Die VTU war an allen Vorgängen beteiligt: von Machbarkeitsanalyse und Konzept über Beschaffung und Bau bis zu Dokumentation und Abnahme.
Patient:innenspezifische Behandlungen
Ein spezieller Aspekt des Konzepts ist Biomays Anlage zur Herstellung individueller Fertigungschargen für patient:innenspezifische Medikamente. „Wir können in nur wenigen Wochen individuelle Medikamente für Krebspatient:innen in GMP-Qualität herstellen,“ freut sich Hans Huber. Gemein- sam mit seinen Kunden liefert Biomay nun DNA-Plasmide für patient:innenspezifische – auch als „Neoantigene“ bezeichnete – Tumor-Antigene als neue, vielversprechende Lösung zur Heilung von Krebspatient:innen. „Dies erfordert von uns viel Innovationskraft und Kreativität, um die knappen Zeitrahmen einzuhalten und trotzdem kosteneffizient zu bleiben,“ so Hans Huber.
Bauen während einer Pandemie
Die Planung und der Bau des Standorts dauerten 25 Monate von Ende 2019 bis Ende Januar 2022. Eine der großen Herausforderungen stellte die Covid-Pandemie dar, daher fanden die meisten Planungsbesprechungen von Biomay, VTU und allen anderen Beteiligten online statt. „Zusätzlich zu allen anderen Anforderungen hatten die Sicherstellung eines sicheren und gesunden Arbeitsbereichs und die Einhaltung einer ‚Zero Accident‘-Richtlinie für uns Priorität,“ betont Thomas Miklautsch, Managing Director von VTU Engineering, der das Projekt eng betreute. Da es sich um ein für das öffentliche Gesundheitswesen wichtiges Projekt handelte, wurden früh Impfungen vorgenommen und Präsenzbesprechungen auf ein Minimum reduziert. „Ironischerweise haben wir mitten in der Pandemie einen Standort zur Herstellung des Covid-Impfstoffs gebaut,“ so Thomas Miklautsch.
„Letztendlich hat Biomay von uns ein Komplett-Package bekommen – vom ersten Entwurf bis zur abschließenden Zertifizierung,“ freut sich Miklautsch. „Dabei haben wir den Liefertermin und die Budgetvorgaben eingehalten und moderne Planungstools verwendet.“ Eine breite Kompetenzenpalette, fortschrittliche Entwicklungsplanungstools und eine unkonventionelle Denkweise gehörten zu den Erfolgsfaktoren.
Digitale Entwicklungsplattform
Eine weitere Prozess-Expertin, die einbezogen wurde, war Gloria Galindo-Peitbuchner, Senior Process Engineer bei der VTU. Für sie war die virtuelle Arbeit Neuland und etwas gewöhnungsbedürftig. Eine große Herausforderung war auch das „Smart Working“ zur Festlegung effizienter Engineering-Standards, die es bei Biomay aufgrund des schnellen Wachstums und der Unternehmensgröße noch nicht gab. „Unsere digitale Entwicklungsplattform hat zur Projektorganisation beigetragen,“ so Gloria Galindo-Peitbuchner. „Sie stellte die Struktur bereit, um schnell voran zu kommen und alle GMP- und weiteren wichtigen Zertifizierungen zu erhalten.“
Standardisierte Produktionsprozesse
Um eine „Überdimensionierung“ zu vermeiden und nicht bei jeder geringfügigen Konzeptänderung der Prozesse eine Freigabe einholen zu müssen, entschied sich Biomay für standardisierte Biotech-Produktionsprozesse. Das beinhaltete auch die Wahl von Standard-Edelstahlvorrichtungen – statt Einweggerätschaften mit Einwegartikeln – mit denen die Mitarbeiter:innen im Hinblick auf die CIP- und SIP-Verfahren zur Sterilisation vertraut waren. Der Standort erhielt kein „Ballroom-Konzept“, sondern wurde in kleinere Räume unterteilt, um die Produktionswechselzeiten zu minimieren. Für die Zukunft erwartet Hans Huber einen größeren Produktionsmaßstab, auch für klinische Studien der 3. Phase oder für die Markteinführung neuer Produkte. „Wir verfügen jetzt über einen Standort, der uns die Möglichkeit eines strategischen Wachstums und unseren Kunden attraktive Produktionskapazitäten bietet”.